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Jörg Scholz

Predigt am 1. Juni 2025 in der Versöhnungskirche über Epheser 3, 14-21

„Deshalb beuge ich meine Knie vor dem Vater, der alle Wesen im Himmel wie auf der Erde durch Nennung ihres Namens ins Dasein gerufen hat:
Er möge euch aus dem Reichtum seiner Herrlichkeit heraus beschenken und euch durch seinen Geist innerlich ganz stark machen; Christus möge durch den Glauben in euren Herzen wohnen und ihr mögt in der Liebe wurzeln und auf sie gegründet sein. Dann seid ihr fähig, zusammen mit allen Heiligen die Breite und Länge, die Höhe und die Tiefe (des göttlichen Heilsraumes) zu begreifen und die alle Erkenntnis übersteigende Liebe Christi zu verstehen; dann wird Gott in seiner ganzen Fülle euch erfüllen.
Ihm aber, der unendlich viel mehr zu tun vermag, als wir es erbitten oder erdenken können - mit der Kraft, die jetzt schon in uns wirksam ist: ihm gebührt die Ehre in der Kirche und durch Christus Jesus in allen Generationen bis in die Ewigkeit. Amen.“


Ich sagte es zu Beginn schon: Mit dem heutigen Sonntag geht die Osterzeit zu Ende. Der Himmelfahrtstag vergangenen Donnerstag gehört auch noch zu dieser Zeit des Kirchenjahres. Das theologische Programm, so möchte ich es einmal formulieren, dieser Wochen beschreibt das Glaubensbekenntnis, das wir vorhin gesprochen haben: Christus „gekreuzigt, gestorben und begraben, hinabgestiegen in das Reich des Todes, am dritten Tag auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel, er sitzt zur Rechten Gottes“.

Fehlt etwas? Ja, es fehlt die Verheißung des Heiligen Geistes, die am nächsten Sonntag, zum Pfingstfest, Gestalt annimmt. Es war Lukas, der Verfasser des Evangeliums und der Apostelgeschichte, der die Grundlage für dieses theologische, man könnte auch sagen, heilsgeschichtliche Programm ausgestaltet hat.

Mit dem heutigen Sonntag bewegen wir uns sozusagen in einer Zwischenzeit. Das Johannes-Evangelium mit dem vorhin gehörten Text beschreibt sie so, dass Jesus seinen Tod als Weggang zum himmlischen Vater deutet – und dass ein Geist der Wahrheit kommen wird, den er auch als Fürsprecher oder Tröster ankündigt.
Der Blick geht also nach vorne: Der Fürsprecher wird kommen (so bei Johannes), der Heilige Geist wird die Gläubigen erfüllen (so bei Lukas).

 Wohin geht unser Blick nach vorne? Ich meine, dass die vorhin gelesene Epistel aus dem Brief nach Ephesus eine weitere Perspektive für uns eröffnet. Ich zitiere noch einmal einen Teil des Textes:
„Er, Gott, möge euch aus dem Reichtum seiner Herrlichkeit heraus beschenken und euch durch seinen Geist innerlich ganz stark machen; Christus möge durch den Glauben in euren Herzen wohnen und ihr mögt in der Liebe wurzeln und auf sie gegründet sein.“

Wir wollen jetzt nicht darüber streiten, ob es Paulus war, wie es der Brief nach Ephesus behauptet – oder doch wohl eher ein Schüler der Generation nach Paulus, der in seinem Namen schreibt. Jedenfalls sind es ermutigende Worte, die man auch als Gebet verstehen kann: Gott möge uns aus seiner Herrlichkeit heraus beschenken, Christus möge durch den Glauben in unseren Herzen wohnen und wir mögen in der Liebe wurzeln und auf sie gegründet sein. Ich habe jetzt die Adressaten des Briefes mit uns gleichgesetzt. Und ich finde, dem ist kaum etwas hinzuzufügen. Außer diesem: Lasst uns das erfassen und daraus leben!

Lässt sich das noch präzisieren? Ich versuche es mit dem nächsten Satz aus dem Text – und beziehe ihn gleich wieder auf uns:
„Dann sind wir fähig, zusammen mit allen Heiligen die Breite und Länge, die Höhe und die Tiefe (des göttlichen Heilsraumes) zu begreifen.“
In dem griechischen Text fehlen die Worte „des göttlichen Heilsraums“. Es heißt eigentlich nur: „Dann seid ihr fähig, zusammen mit allen Heiligen die Breite und Länge, die Höhe und die Tiefe zu begreifen.“ Welche Breite und Länge, welche Höhe und Tiefe kann begriffen werden? Ich habe in meiner Übersetzung in Klammern hinzugefügt: „des göttlichen Heilsraums“. Und diese Ergänzung ist, so scheint mir, im Sinne des Verfassers, denn der Brief nach Ephesus vertritt eine geradezu kosmische Auffassung vom Wirken Gottes.
Lassen Sie uns einen Augenblick über den Heilsraum Gottes nachdenken.

Ich habe schon immer ein großes Interesse an den kosmischen Fragen gehabt. Wie ist alles entstanden? Wie können wir das unendliche Weltall verstehen? Hängt alles irgendwie miteinander zusammen? Wie habe ich mich gefreut, als ich zum 1. Mal in einer Nacht unsere Nachbargalaxie, die Andromeda, mit bloßem Auge entdeckt habe! Wissenschaftler versuchen immer wieder von Neuem, eine plausible Theorie vom All zu entwickeln.

Ist das wie auch immer zu verstehende Weltall der göttliche Heilsraum? Ist Gott im Werden und Vergehen der Galaxien am Werk? Ist er der Anfang, aus dem alles entstanden ist? Wir wissen es nicht, aber der Gedanke des Schöpfertums Gottes ist uns ja aus der Bibel vertraut und schließt den tröstlichen Gedanken ein, dass da keine dämonischen und nur auf Zerstörung bedachten Kräfte wirken, sondern dass sie auf Leben zielen.

Können wir uns andere Heilsräume Gottes vorstellen? Ich meine, ja.

Ein katholischer Theologe hat geschrieben:
„Es (gibt) in der Skala menschlicher Erfahrungen Intensitätsmomente, die durchlässig sind auf das Andere, das hier kalkuliert vage als das Heilige bezeichnet wird: Unverhofftes Glück, für das man danken möchte, Unterbrechungen in der wohltemperierten Existenz, die aufhorchen lassen und nachdenklich stimmen, Erfahrungen der Vergeblichkeit, die den Himmel verdunkeln, Einbrüche von Ohnmacht und Verzweiflung, die nach einer rettenden und erlösenden Macht fragen lassen. Auch im Medium des Ästhetischen gibt es Durchbruchserfahrungen, die ergreifen und staunen lassen. Staunen ist nicht nur Anstoß zu einem Denken, das hinter dem Schleier der Meinungen der Wahrheit auf die Spur zu kommen sucht, sondern auch
Anlass zum Loben und Danken.“
(Jan Heiner Tück, Minima Theologica, 2025)

Gehen wir einigen weiteren dieser Momente nach:
Religion hat sich schon immer an Räume gebunden: Berge, Tempel, Kirchen. Manchmal betrete ich einen Kirchenraum und empfinde – nichts Besonderes, kann allenfalls die Architektur und die Kunst bewundern. Aber manchmal erlebe ich solche Räume auch ganz anderes: Sie machen mich klein und bescheiden – und gleichzeitig erweitern sie mich und beglücken mich. Ein Freund von mir, der sich als Atheist versteht, sagte neulich nach dem gemeinsamen Besuch einer alten, kleinen Dorfkirche, er habe dort eine spirituelle Atmosphäre empfunden.

Ein weiterer Heilsraum Gottes kann die Natur sein. Manchmal hat sie zerstörerische Kraft, und der Mensch ist dabei, diese zerstörerischen Gewalten zu beschleunigen. Aber dann auch dies: Eine Blumenwiese im Frühling oder das Herbstkleid der Bäume; ein Fluss, der gemächlich dahingleitet; das Vogelkonzert am Morgen; der weite Blick von einem Berg. Die Beispiele ließen sich vermehren. Für Momente geschieht etwas in unserer Seele, unser Dasein wird bereichert, und das macht uns glücklich.

Sprache, Kunst und Musik können weitere Heilsräume Gottes sein. Der entscheidende Punkt ist wohl, dass unser Ich für Augenblicke geweitet wird und sich fast mystisch zu nennende Erlebnisse einstellen.

Und schließlich, und vielleicht am wichtigsten, auch die Räume, die sich in der Begegnung mit Menschen eröffnen. Die Technisierung unseres Lebens (Stichwort: Smartphone) übersieht leicht solche Momente der Vertiefung durch Zeichen der Liebe, der Solidarität und der Partizipation an der Gestaltung einer besseren Welt.

Wie gut tun uns freundliche, liebevolle Blicke! Wie gut tut die Erfahrung, einem anderen Menschen geholfen zu haben: mit einer Spende, mit dem Gang zu einer Behörde für einen Migranten, dem Öffnen der Haustür für die kleine Nachbarstochter. Wie gut tut das Öffnen eines erwarteten Briefes von einem Freund. Wie ermutigend ist der Zusammenhalt der Menschen bei einer Friedensdemonstration. Auch diese Beispiele ließen sich vermehren.

Nun lässt sich bei all dem Gesagten fragen: Erleben andere Menschen, die sich nicht als Christen verstehen, Ähnliches oder sogar das Gleiche? Natürlich gibt es das, aber diese Zeitgenossen würden es ohne Glaubensaussagen erklären. Trotzdem sollten wir uns mit ihnen verbünden. Denn leider scheint unsere Zeit so zu sein, dass die Empfänglichkeit für Momente der Grenzüberschreitung des Ichs abnehmen. Die Welt wird kalt und voller Hass.

Wir Christen haben kein Recht, unsere Welterklärung als qualitativ höher darzustellen. Aber das Alte und das Neue Testament und die lange Geschichte des Glaubens beinhalten kostbare Schätze, an denen wir festhalten sollen und möchten. Für mich wichtig: Sie klammern die dunklen Seiten des Lebens nicht aus!

Ich habe von Spuren Gottes gesprochen, die Räume der Gottesbegegnung eröffnen. Der Gottesdienst, den wir gerade miteinander feiern, gehört hoffentlich dazu: Mit seinen Liedern, seinen Gebeten, seinem Zuhören. Die Glocken haben gerufen, und wir sind gekommen.

Noch einmal aus dem Textabschnitt des Briefes nach Ephesus, der beschreibt, dass es darum geht:
„die alle Erkenntnis übersteigende Liebe Christi zu verstehen; dann wird Gott in seiner ganzen Fülle euch erfüllen.
Ihm aber, der unendlich viel mehr zu tun vermag, als wir es erbitten oder erdenken können - mit der Kraft, die jetzt schon in uns wirksam ist: ihm gebührt die Ehre in der Kirche und durch Christus Jesus in allen Generationen bis in die Ewigkeit. Amen.“

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Predigt am Ostersonntag 2025 in der Versöhnungskirche in Travemünde
Eine Vorbemerkung: Ich habe mich daran erinnert, dass vor genau 10 Jahren eine Oster-Kantate in St. Lorenz in Lübeck uraufgeführt wurde. Das Libretto, den Text, hatte ich geschrieben, vertont wurde sie von dem befreundeten Komponisten Dirk Uka. Zwei Jahre später gab es eine Aufführung in der Lübecker Lutherkirche. Ich werde ein paar gereimte Verse aus der Kantate zitieren – und wir werden den Predigttext für heute aus dem Johannesevangelium nachher als Teil der Kantate hören.
Eine Eingangsfrage an uns alle: Unter welchem Vorzeichen sehen Sie das Ganze Ihres persönlichen Lebens oder, wie ich auch sagen könnte, das Leben überhaupt? Steht davor ein Pluszeichen – oder steht davor ein Minuszeichen? In musikalischer Sprache: Ist das Leben für Sie eher in Dur gestimmt oder eher in Moll?

Der deutsche Philosoph Arthur Schopenhauer sah das Leben eher pessimistisch, also mit einem Minus-Vorzeichen, oder beschrieb es eher in Molltönen: „Nun ist diese Welt so eingerichtet, wie sie sein mußte, um mit knapper Not bestehen zu können. Wäre sie aber noch ein wenig schlechter, so könnte sie schon nicht mehr bestehen.“ So Schopenhauer 1819. Das Leben, die Welt – knapp am Abgrund. Man kann die Beweislage für diese Weltsicht als erdrückend beschreiben: Kriege, Katastrophen, Ausbeutung der Natur, Hunger, Flucht, Vertreibung – wir alle kennen diese rote Liste der erschreckenden Befunde. Dazu gehören auch die Selbstmordattentäter oder die Amokläufer. Das eigene Leben und das Leben von anderen scheint in Grenzsituationen unserer menschlichen Existenz nichts wert zu sein, seine mögliche Vernichtung wird in Kauf genommen, was auch immer der Grund sein mag.

Ja, leider ist es so, dass viel Schlimmes; Schicksalhaftes nicht etwa durch die Natur kommt – das auch –, sondern vom Menschen selbst verursacht wird. Das Eis der Zivilisation ist brüchig, wie ein anderer großer Skeptiker, Sigmund Freud, schrieb.

Ein gewichtiger Teil der Entstehungsgeschichte des christlichen Glaubens passt in das moll-gestimmte Weltbild: Die letzten Tage des Jesus von Nazareth in Jerusalem sprechen eine beredte Botschaft von dem, was Menschen sich und gerade denen, die es gut gemeint haben, antun: Verhaftung, Verleugnung, Folter, Tod am Kreuz, Flucht der Jünger.
                            „Jesus, Gott und Mensch verbunden,
                             hat erschreckt, die Herrscher waren.
                              Bis aufs Blut gequält, geschunden,
                                     hat er Volkes Hass erfahren.
                                Im Grab lag der, der Gott so nah,
                              und einen neuen Geist uns brachte,
                                 in Gott das Bild der Liebe sah,
                              Menschen nahm, wie Gott sie dachte.“

Für einen Moment sieht es so aus, als sei’s das gewesen. Aus. Vorbei.

Wer sich das eingesteht und die Lage des Menschen und der Welt so dunkel sieht wie etwa Schopenhauer und Freud, wird sich trotzdem fragen müssen, warum er dennoch lebt. Er muss nach Quellen eines „Dennoch“ suchen, um etwas gegen das Leben am Abgrund in der Hand zu haben. Dafür gibt es schon Angebote. Ich zitiere zwei Beobachtungen:

1. Werbung einer großen Versicherung. Da sagt eine junge Frau: „Natürlich freue ich mich auf das, was kommt. … Aber egal, wo ich dann bin: Zu wissen, dass immer jemand für mich da ist, das ist echt ein gutes Gefühl.“ „Das nennen wir - die Versicherung - das Schutzengel-Gefühl.“
Wir stellen fest: Da wird religiöse Sprache benutzt, um so etwas wie Sicherheit aufzubauen. Und spüren wohl auch, wie lächerlich und armselig diese Werbung klingt – und dass der Abschluss etwa einer „Lebensversicherung“ kaum ausreicht, um dem Abgrund ein „Dennoch“ entgegenzusetzen.

Das 2. Bespiel ist fast noch absurder:
Sepp Blatter, Präsident des Fußballweltverbands FIFA, hat vor seiner 5. Amtszeit verkündet: „Die FIFA ist durch die positiven Emotionen, die der Fußball auslöst, einflussreicher als jedes Land der Erde und jede Religion.“ Und unter Blatter werde die FIFA „mehr Friede, Gerechtigkeit und Gesundheit auf der Welt“ schaffen.

So sehr ich Fußball mag: Dass eine korrupte Institution, der es, wie vieles andere im Sportbetrieb, nur um Geld und Einfluss geht, die Welt retten will, das ist schon aberwitzig. Es zeigt aber auch, wie schwer es ist, ein tragfähiges „Dennoch“, einen Einspruch gegen den Abgrund, zu finden.

Ich habe großen Respekt vor Menschen, die versuchen, für sich und auch für andere dieses „Dennoch“ zu leben. Die aus philosophischen, ethischen und politischen Modellen heraus es wagen, gegen den Abgrund zu protestieren und Alternativen für ein friedlicheres und gerechteres Leben auf dieser Erde zu entwickeln.

Jetzt frage ich an diesem Ostersonntag mich selbst und uns: Ist auch die Osterbotschaft des Christentums, ist auch der christliche Glaube insgesamt als „Dennoch“ gegen den Abgrund zu verstehen?
Hören wir den Ausschnitt aus der Osterkantate, der den Predigttext wiedergibt:

(Ausschnitt Oster-Kantate)

Zunächst tun sich weitere Abgründe auf: Nach der Kreuzigung ist der Stein vor Jesu Grabkammer weggewälzt, der Leichnam ist nicht mehr da.
                      „Nach dem Kreuz nun Grabesleere,
                    trostlos, bang, mein Herz will brechen…“

singt Maria Magdalena in der Kantate.

Und dann kommt ein „Dennoch“, eine Gegenbewegung: Nach dem Johannes-Evangelium geschieht durch die eine einmalige Nennung ihres Namens „Maria“ durch den, den sie eben noch für den Gärtner hielt, eine Verwandlung. Nun sieht sie den gekreuzigten Jesus neu – als von Gott Auferweckten, der nun der Christus ist. In dieser „Magdalenensekunde“, wie der Schriftsteller Patrick Roth sie nennt, geschieht Ostern.

Roth schreibt: „In den Augen dieser leibhaftig sehenden Frau, kommt Christus zur Welt, als Auferstandener jetzt. Und damit wird Magdalena selbst zu einer Auferstandenen – in diesem ihrem Moment der Bewusstwerdung.“

Die Magdalenensekunde: das ist die Sekunde der Wiedererkennung: Mensch und Gott werden einander wieder bewusst.
Nun kann auch der andere Jünger, den Jesus liebgehabt hat, „glauben“, nun werden die Jüngerinnen und Jünger, die eben noch verzweifelt waren, ausgesandt, um den Friedensgruß zu leben.
                        „Wunderbar ist Gottes Macht:
                          Christus lebt, ist für uns da.
                         Frieden hat er uns gebracht,
                      weiter wirkt, was uns geschah“

Auch wenn es in der Geschichte des Christentums immer wieder schlimme Irrwege gegeben hat: Seit Ostern geht ein großes „Dennoch“ durch die Herzen und Gehirne derer, die sich in der Nachfolge des Jesus Christus wissen. Sie werden sich – und das geschieht ja in unserer Zeit immer häufiger – mit den „Dennochs“ von Menschen anderer Religionen und eben auch denen von nichtreligiösen Menschen verbinden.

Aber ich möchte noch einen anderen Gedanken wenigstens andeuten:
Angesichts der Weltsicht des großen Minus vor der Lebensklammer und der Mollstimmungen hatte ich von den „Dennochs“ gesprochen. Erst die Einsicht in den Abgrund und in die Abgründe – dann die Stimmen des Glaubens, mit denen dagegengehalten wird.

Wie wäre es, wenn es uns Christinnen und Christen gelänge, die Vorzeichen und die Stimmung umzukehren? Das hieße: Vor unserem Leben und dem Leben überhaupt zunächst ein Pluszeichen zu setzen, zunächst eine prächtige Dur-Tonart über allem zu hören? Gott hat diese Welt gut gemeint, er hat mit der Entstehung jedes Lebens, auch das jedes Einzelnen und meinem, einen Segenshorizont eröffnet. Er hat mich und uns, in der Sprache Luthers, durch Christus gerecht gesprochen, das heißt, uns auf sicheren Grund gestellt. Er lässt Christus seit meiner Taufe mit mir durch das Leben gehen, stärkt mich durch sein Wort und sein Mahl und die Gemeinschaft der Glaubenden.
Mit einem Hosea-Zitat, also aus dem Alten Testament, ruft uns Paulus im 1. Brief nach Korinth seinen Triumphgesang des von Gott bejahten Lebens entgegen:

„Aufgezehrt ist der Tod – in den Sieg hinein.
Tod, wo ist dein Sieg, Tod, wo ist dein Stachel?“

Unter diesem Vorzeichen kann über den Tod gelacht werden. Im Spätmittelalter war es am Ostersonntag üblich, in der Predigt eine Geschichte zu erzählen, die die Gemeinde zum Lachen brachte. Damit sollte die Osterfreude zum Ausdruck gebracht werden. Etwa so:

Die kleine Julia darf zu Ostern zum ersten Mal mit in die Kirche. Nach dem Gottesdienst fragt der Vater die kleine Julia „Was hat dir am besten gefallen?” Julias Antwort: „Dass alle ‚Hallo Julia’ gesungen haben!!!”

Mit dem Osterlachen sollte die Überlegenheit und der Sieg über den Tod symbolisiert werden, der sich an Christus „verschluckt“ hat und der Lächerlichkeit preisgegeben ist. Der Tod kann uns nichts anhaben, auch wenn sich immer wieder Abgründe auftun.

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsre Vernunft, sei mit uns allen.